Brammenhort

1969
200 cm x 700 cm
Stahl, geschmiedet
Am Stadtgraben 6-8, 66111 Saarbrücken, Ministerium für Finanzen und Europa

Der Brammenhort ist ein Werk der ‚Kunst am Bau’, das zwei verschiedene Funktionen erfüllt. Es ist ein Gatter über die Zugangsbrücke, aber es ist auch ein Werk der Kunst. Dessen Präsenz wird für den Besucher im Vorübergehen optisch spürbar. Vor allem dann, wenn es sich bei Sonnenschein als Schatten auf dem Boden spiegelt und er sein Schattenbild irritiert ‚betreten’ muss. Denn der Sonnenschein nimmt das Spiel mit den Kreisformen auf und doppelt es. Gatter und Gatterschatten zieren dann den Eingangsbereich. Verweilt er und schaut, das Ministerium für Finanzen und Europa im Rücken in südwestlicher Richtung über den Brammenhort, die Alte Brücke und die Saar hinweg aufwärts, dann fällt der Blick auf das architektonische Areal des Saarbrücker Barockschlosses. Dann klingt ein ästhetisierender und historisierender Grundton zwischen beiden, denn barock wirkt auch der Brammenhort in seiner prunkenden handwerklichen Ausführung.

‚Brammenhort’ scheint eine eigenständige Wortschöpfung von Oswald Hiery zu sein. Sie wird aus zwei Begriffen gebildet. Die Bramme ist ein Block aus gegossenem und erhärtetem Stahl in variierender Grösse als Vormaterial, als Halbzeug zur Weiterverarbeitung; Hort hat den doppelten Wortsinn von Schatz, Vorrat, aber auch von Einzäunung, aus dem Lateinischen hortus (Garten). Vierkantstäbe unterschiedlicher Länge sind das Material, aus dem die kreisähnlichen Segmente des Gatters handwerklich geschmiedet und in Form gebracht sind. Hiery hat die Mittelteile der Brammen (Strangmaterial) verdünnt und die Enden als verdickte Köpfe bearbeitet.

Zur Ausführung, zu Zweck und Ästhetik des Brammenhorts berichtet Oswald Hiery selbst, ausgehend von alter Handwerkstechnik: „Das war einfach Strangmaterial … die Brammen waren umgekehrt, die waren alle spitz. Wenn sie in der Antike Eisen geschmolzen haben, und es als schmiedbares Material in den Handel kam, war das schon vorbearbeitet, nach außen spitz, also ausgezogen. Und diese Brammen wurden dann in der Schmiede, meistens für Werkzeuge, gestreckt. Und die Spitze wurde dann immer spitzer. … Ich hab das hier aber gerade umgekehrt gemacht. Aus der Mitte heraus habe ich die Brammen gezogen, wegen dem Rhythmus und der Durchsichtigkeit. An sich ist es ein Geländer. Das ist nicht als Skulptur dahingestellt. Es ist ein Abschlussgeländer. … Es hat also zur gleichen Zeit die Funktion einer Absperrung und dann auch einer Dekoration“1.

Die einzelnen Brammen sind handwerklich unregelmäßig aus Strängen von Stahl geschmiedet. Sie sind alle zu einzigartigen Exemplaren gebogen und zu unterschiedlich hohen halbkreisförmigem Formstücken geschmiedet. Die einzelnen Kreissegmente sind dann senkrecht so hintereinander gestellt und verbunden, dass der Brammenhort zu einer spielerische wirkenden Gatterkomposition aus offenen Kreissegmenten von sieben Metern Länge wird.

Beim Passieren des Gatters nimmt man einen Rhythmus wahr, der durch die einzelnen Stäbe getaktet wird. Dieser Rhythmus wirkt auf die Form des Brammenhorts auf mehrfache Weise. Zunächst durch das handwerkliche Herstellungsverfahren selbst, durch die geschmiedete Verdünnung der Mittelteile jedes einzelnen Stabes und die Verdickung seiner Endköpfe („Durchsichtigkeit“), wie Hiery die Herstellung beschreibt. Ein weiterer Rhythmus entsteht durch die Dreiteilung der Gesamtkomposition in Längsrichtung. Auf ein Konvolut von kürzeren Brammen folgen einmal drei und einmal vier längere Stäbe. Den dritten, der Häuserfassade zugewandten abschliessenden Teil, bildet eine offene Kreisform aus mehreren Einzelstücken. Hier finden sich aneinander gesetzte Brammen, deren Enden zwar eine vollständige Kreisform bilden, aber nicht aneinander stossen. Nur hier finden sich auch Brammen, deren Kreiskrümmung in entgegengesetzter Richtung verläuft. Durch dieses letzte Rhythmuselement entsteht in Richtung Eingangsbereich der Eindruck einer zunehmenden Verdichtung durch das Material.

In den neun Jahren zwischen 1968 und 1977 schuf Oswald Hiery vier Werke, die man der Kategorie ‚Kunst am Bau’ zuordnen kann. Sie haben technische (Vier Handläufe, Brammenhort) und ästhetisch-dekorative Funktionen. Alle Werke sind aus unterschiedlichen Materialien gearbeitet (Eichenholz Aluminium, Holz, verschiedene Metalle) und in auffallend hoher handwerklicher Qualität hergestellt. Das gilt auch für die Vier Handläufe, denn ihre einzelnen Elemente sind in Originalgröße zunächst in Holz ausgeführt und dann in Aluminium gegossen worden. Zu diesem Werktypus nicht-figurativer Gestalt gehören: Wandrelief (1968) in Wadern, Handläufe (1969) in Homburg, Brammenhort (1969) in Saarbrücken, Trennwand (1977) in Saarbrücken.

  1. Hiery, Oswald; Gulden, Alfred, Die Geburt des Hephaistos. Oswald Hiery im Gespräch mit Alfred Gulden, Katalog zur Ausstellung im Saarländischen Künstlerhaus, Saarbrücken, 4.12.2008 bis 4.1.2009, Saarbrücken 2008, 22