Die Saar und ihre Kinder

1991
12 m x 7 m x 3 m
Bronzeguss
Malstatter Markt 11-15, 66115 Saarbrücken-Malstatt

Das Brunnensemble auf dem Malstatter Markt ist von beträchtlichem Ausmaß. Es wird von einer dreiseitig geschlossenen Gebäudeanlage mit fünf- und mehrgeschossigen Wohn- und Geschäftshäusern eingerahmt. Hier auf dem Platz steht, seitlich versetzt und aus roten Ziegelsteinen aufgemauert, ein geräumiges wassergefülltes Becken. Der Beckengrundriss hat die Maße eines großen Zimmers mit Tisch und Sofa. Der nach allen Seiten offene Raum lässt sich über eine Treppe über die den Häusern zugewandte hintere Seite betreten. Der Besucher käme zunächst ins Esszimmer mit einem sehr hohen Tisch. Dahinter steht, dem Tisch rückwärts zugewandt, ein Sofa, beides Inventar aus der Welt des Biedermeiers.

In diesem ‚Brunnenzimmer’ schaut der Betrachter auf eine familiäre Szene, die er eher in einem Schwimmbad erwarten würde, denn sie spielt in knöchelhohem Wasser. Auch Tisch und Sofa stehen im Wasser, das aus verschiedenen Quellen sprudelt. Es rinnt aus Töpfen, Schalen und Suppentellern auf den hohen Tisch und über ihn ins Zimmerbecken. In dieser Wasserlandschaft sprudelt auch das Leben, denn darin betreiben fünf Kinder ihr plätscherndes Handwerk. Sie spielen miteinander oder mit Ball und Frosch oder reiben sich das Wasser aus den Augen. Die gesamte Szene vollzieht sich im Rücken von ‚Frau Saar’. Sie liegt, nach rechts geneigt und auf den rechten Ellenbogen abgestützt, seitlich auf einem opulenten Sofa. Mit ihrem linken Arm hält sie eine Saarrieslingflasche über die Sofalehne, aus der das Nass ins Becken strömt. ‚Frau Saar’ ist so selbstverständlich nackt wie die Figuren bei Paula Modersohn-Becker oder Niki de Saint Phalle, eine Allegorie der Saar ist auch bekleidet kaum vorstellbar.

Die Saar und ihre Kinder bildet ein heiteres vielstimmiges Ensemble aus sechs Figuren, Mobiliar und Accessoires, das innerhalb des Wasserbeckens durch ein niedriges Podest aus dem Brunnengeviert zusammen gehalten und erhoben wird. Es bildet deshalb auch aus technischer Sicht ein einheitliches Ensemble, das man sich als Allegorie vorzustellen vermag. Die Saar und ihre Kinder ist nicht nur bezeichnender Titel, sondern allegorisches Programm. Es wird sichtbar in der Bewegung des fließenden und plätschernden Wassers, im Spiel der Kinder und in der Symbolik der liegenden Frau und der ausschenkenden Weinflasche: Symbol für die Quelle der Saar. Das pralle Leben, das der Brunnen bildlich darstellt, bezieht sich aber auch auf den Alltag der Flussanrainer. Der hochbeinige Tisch mit Geschirrstapeln von Suppentellern und Schüsseln und Schalen, aus denen Wasser rinnt, verweist auf die häufigen Saarhochwasser, die spendende Saarrieslingflasche ist nicht nur der Hinweis auf die Quelle der Saar, sondern auch auf die edlen Weine an ihren Ufern.

Atmosphärisch erinnert der Brunnen Die Saar und ihre Kinder an ein Gedicht. Ein Gedicht, das beim Anblick des Brunnens in den Sinn kommt: „Doch immer behalten die Quellen das Wort, / es singen die Wasser im Schlafe noch fort / vom Tage, / vom heute gewesenen Tage“1. Wir sehen und hören beim Anblick des Brunnens das zeitlose Fließen der Saar in der allegorischen Form der ruhenden Frau, der tollenden Kinder, ihrer spielenden Bewegungen und im Sprudeln des bewegten Wassers2.

Die Saar und ihre Kinder aus dem Jahre 1991 ist die sechste von insgesamt sieben Brunnenplastiken, die Oswald Hiery für den öffentlichen Raum in einem Zeitraum von 32 Jahren geschaffen hat. So unterschiedlich sie auch komponiert sind, so ähnlich sind sie sich im Hinblick auf ihre narrative Struktur. Zu diesem Konvolut von Brunnenplastiken zählen in chronologischer Folge Abwehr (1963); Brunnen (1965); BrunnenBaum (1966); Kohle & Stahl (1980); BrunnenPflanze (1983); Die Bürger von Riegelsberg (1995).

  1. Dieser Refrain der zweiten Strophe stammt aus dem Gedicht von Eduard Mörike, Um Mitternacht, 1827
  2. Der Brunnen führt aber noch ein anderes Leben. Vgl. die Geschichten und Ondits zu Vergangenheit und Gegenwart des Brunnens bei Silvia Buss, An diesem Brunnen scheiden sich die Geister, in: Saarbrücker Zeitung 21.8.2017; https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saarbruecken/saarbruecken/brunnenserie-teil-5_aid-2531315 (abgerufen 22.9.2018)