Gedenktafel Albert Weisgerber

2003
60 cm x 40 cm
Bronze
Kaiserstraße 62, 66386 Sankt Ingbert, Geburtshaus

Der Maler Albert Weisgerber ist am 21. 4. 1878 in St. Ingbert geboren. Er fiel am 10. 5. 1915 bei Ypern in Französisch-Flandern. Die Stadt St. Ingbert hat ihrem Sohn eine Erinnerungstafel gewidmet, die an seinem Geburtshaus angebracht ist. Sie wurde vom Bildhauer Oswald Hiery in der Form eines gerahmten Hochreliefs gestaltet.

Der porträthaft und sanft naturalistisch dargestellte Maler ragt als Halbfigur aus einer geöffneten Umrahmung. Die Hand des nach vorn gewinkelten rechten Arms hält einen Pinsel zwischen Daumen und Zeigefinger. Kopf und Blick sind nach außen gewendet. Vor ihm eine Leinwand oder ein Zeichenblock, bereit zum Malen. Hinter dem Block ein weibliches Aktmodell bei der Toilette, mit einem Badetuch über Kopf und Rücken die Haare trocknend. Der Pinsel zeigt weit nach außen und verstärkt den Eindruck, den die Komposition der gesamten Tafel erzeugt: Weltzugewandtheit und konzentrierte Innerlichkeit.

Es gibt in der deutschen romantischen Literatur eine Novelle, die durch die Form der fensterhaft gerahmten Gedenktafel, die Halbfigur des Malers und die Figurine des Malermodells atmosphärisch gegenwärtig wird. Gemeint ist die Novelle Des Vetters Eckfenster von E.T.A. Hoffmann aus dem Jahre 1822. Wie in Hoffmanns Erzählung der Vetter das Markttreiben auf dem Theaterplatz beobachtet und seinem Besucher „die Kunst zu schauen“1 vermitteln will, so scheint auch die Komposition der Gedenktafel des Malers Albert Weisgerber ganz auf diese Kunst des Schauens hin konzentriert zu sein. So treffen sich die Blicke des aus dem Fenster schauenden Malers mit dem zum Eckfenster hinauf schauenden Betrachters in stillem Einvernehmen. Man gewinnt den Eindruck, dass sich die Blicke zweier Künstler begegnen, der des Malers und der des Bildhauers, man gewinnt auch den Eindruck der Übereinstimmung korrespondierender Wahrnehmungen, der des Malers und der des Bildhauers, eines Einverständnisses zwischen Künstlern. Der Bildhauer Oswald Hiery scheint bei der Schaffung der Gedenktafel genau diese Perspektive der Gegenseitigkeit im Auge gehabt zu haben.

Man darf diese Erfahrung durch Anschauung der Gedenktafel2 als einen außerordentlich geglückten Einstieg für die Befassung mit dem Werk des Malers Albert Weisgerber bezeichnen, weil sie eine Besonderheit der künstlerischen Erfahrung kennzeichnet, die Offenheit der Weltsicht als Voraussetzung künstlerischen Schaffens und als poietische Energie3.

  1. E.T.A. Hoffmann, Des Vetters Eckfenster, in: Der Zuschauer. Zeitblatt für Belehrung und Aufheiterung, Nr. 49, 23.4.1822, 2f. mit Fortsetzung.
  2. Max Imdahl nennt sie ikonisch, vgl. ders. ‚Autobiographie’, in: Gesammelte Schriften 3: Reflexion. Theorie. Methode, Frankfurt am Main 1996, 628f.
  3. In seiner Geburtstadt St. Ingbert wirkt die Albert Weisgerber Stiftung. Sie betreut eine umfangreiche Sammlung von Werken des Malers. Vgl. http://www.albert-weisgerber-stiftung.de/ (abgerufen 06.08.2018).