Pfarrer Philipp Schmitt

1978
11 cm x 85 cm x 85 cm (Messingplinthe ohne Figuren); 40 cm x 13 cm x 115 cm (Figur Pfarrer Schmitt); 62 cm x 58 cm x 62 cm unter 14,5 cm x 82 cm x 82 cm (Unterbau); 28,3 cm x 17,2 cm x 14,2 cm (Tisch mit Bücherstapel); 116,5 cm x 82 cm x 82 cm (Gesamtumfang)
Bronze
Philipp-Schmitt-Schule, Kerlinger Straße 2, 66763 Dillingen

Auf einer quadratischen Bronzeplatte, in Tischhöhe aufgesockelt, hat Oswald Hiery ein architektonisches Ambiente komponiert, in dem Pfarrer Philipp Schmitt buchlesend verweilt. Er steht im Gewand des katholischen Priesters als naturalistische und vollplastische Ganzfigur en miniature auf geschichtsträchtigem Grund inmitten des in die Bodenplatte eingravierten Grundrisses aus der römischen Siedlung in Contiomagus. Diese Siedlung aus römischer Zeit liegt  auf dem Gebiet des heutigen Stadtteils Pachten der Stadt Dillingen an der Saar. Hier übte Philipp Schmitt zwischen 1833 und 1848 sein Pfarramt aus. Den Fundamentumriss hat er möglicherweise auf der Basis seiner Recherchen vor Ort selbst gefunden und skizziert. Hier entdeckte er die archäologischen Spuren der großen römischen Siedlung und hier erbrachte er erhebliche Forschungsleistungen als Altertumsforscher und Autor1.

Vom Eingangsbereich auf dem Weg ins Lehrerzimmer oder Sekretariat der Philipp-Schmitt-Schule passiert der Besucher die Plastik und die Ehreninschriften auf ihren Seitenteilen: |PFARRER PH. SCHMITT | KÜNSTLER | WISSENSCHAFTLER | HISTORIKER|. Auf dem umlaufenden Rand der aufgetischten Bronzeplatte bilden sie das allseitige Friesband. Es bezeichnet die schöpferische Begabung und professionelle Vielseitigkeit einer Person geistlichen Standes, die für einen Geistlichen zu seiner Zeit in dieser Region allerdings nicht ungewöhnlich war.

Die Bronzeplatte ist ein aus der Vertikalen in die Horizontale gewendetes vollplastisches Relief. Es zeigt ein architektonisch gestaltetes Ambiente mit biografisch bedeutsamen Elementen, die man einzeln als Hinweise auf die Tätigkeitsfelder des Forschers, aber auch als Gesamtbild biografisch deuten kann: Man schaut in das Leben dieses Pfarrers. Es informiert den Betrachter atmosphärisch anschaulich über seinen Forschungsgeist und zugleich über sein alltägliches Umfeld. Es lässt die geistige Welt eines Forschers, aber zugleich auch die geistliche des Priesters erkennen und die rahmende kirchliche Tradition, in der Pfarrer Schmitt mit seinen beiden Beinen steht. ‚Seine Welt’ ist ‚auf den Tisch’ gebracht, es ist hier – in Analogie zum ‚WortSpiel’ – als ZeigeSpiel, als optisches Puzzle vom Künstler aufgetischt.

Der Pfarrer im Priestergewand steht in einem großen Raum, dessen Wände durch die Gravur eines Fundaments fiktiv dargestellt sind. Er blättert in den Seiten eines Buches und darüber hinwegschauend setzt er zu einem Schritt an, Forschung in Bewegung. Diesen Eindruck einer sinnierenden und kontrollierenden Bewegung vermitteln auch alle anderen Accessoires, sie alle beleben das räumliche Ambiente durch ihren Bezug zum Forschergeist.

Der Tisch aus dem weitläufigen Stilrepertoire des zeitgenössischen Historismus hinter ihm zeigt Forschungsutensilien und einschlägige Bordmittel unterschiedlicher Art, einen Stapel von Büchern, vielleicht ein Hinweis auf die Rolle der Kirche bei Forschung und Lehre, davor Federhalter und Tintenfass, ein Hinweis auf Forschungs- und Publikationstätigkeit.

Daneben liegt rückwärts eine Sitzfigur als Vollplastik. Das ist eine Nachbildung der Bronzestatue des Heiligen Petrus im Petersdom, geschaffen von Arnolfo di Cambio um das Jahr 1300, mit einem Kopf in der Form eines römischen Kaiserbildnisses. Sie hält den Schlüssel Petri in der Hand, das Zeichen für die Schlüsselgewalt der Kirche. Diese Geste bezieht sich symbolisch auf die Bindegewalt der Kirche in weltlichen und geistlichen Angelegenheiten2, ein deutlicher Hinweis auf das Priesteramt des Pfarrers.

Auf der rückwärtigen Seite des fiktiven Tischraumes findet sich ein gekacheltes Negativrelief mit Säulenstümpfen, eine römische Fußbodenheizung vielleicht, ein Hypokaustum? Es wäre als Zeichen für den hohen zivilisatorischen Status der römischen Siedlung Contiomagus, aber auch für das kulturelle Aspirationsniveau des Pfarrers Philipp Schmitt zu deuten. Wie die Aufrisszeichnungen der Fundamente strukturiert auch dieses gekachelte Relief das gesamte immanente Ambiente des Werks. Aus kompositorischer Sicht verstärkt es zudem die geordnet bewegte und ‚wohltemperierte’ Atmosphäre, die die gesamte Plastik und ihr warmes Material ausströmen.

  1. Schmitt gibt selbst ein anschauliches Bild seiner Forschungen und Entdeckungen: „Bei der großen Dürre des Jahres 1842 waren viele Fundamente in den Kleestücken auf das genaueste ausgezeichnet, indem unmittelbar über ihnen der Klee völlig verdorrt war, während er grade am Rande der Mauer, ohne Zweifel durch den Kalk und Salpeter derselben, noch kräftiger stand, als weiterhin, so, daß man damals, wenn die ganze Flur mit Klee besäet gewesen wäre, das ganze alte Dorf hätte zeichnen können. Nur an wenigen Orten waren die Fundamente verwühlt. In dem Getreide und den Kartoffelfeldern waren dieselben wohl gut bemerkbar, aber doch weniger bestimmt gezeichnet. Ich habe damals Alles, was ganz bestimmt war, in die Flurcharte gezeichnet, in der Absicht, bei nächster Dürre die Arbeit fortzusetzen“, in: Philipp Schmitt, Der Kreis Saarlouis und seine nächste Umgebung unter den Römern und Celten. Ein Bericht an die Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier, Trier 1850, 32f. Vgl. auch Monika Bugs u. a., Kunstführer Dillingen-Saar, hg. vom Kunstverein Dillingen, 1999, 23.
  2. Matthäus 16,9: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein“. Der Volksmund nennt den Schlüssel Petri ‚Schlüssel zum Paradies’.