Porträts der Schlossarchitekten

1997
3 Figuren, je100 cm x 80 cm
Gipsmodelle von Tonplastiken für 3 Schlusssteine im Maßstab 1:1, Ausführung in Sandstein, überstrichen
Schlosstr. 11-15, 66119 Saarbrücken, Saarbrücker Schloss

Im Jahre 1997 hat Oswald Hiery drei Tonentwürfe als Modelle für die Schlusssteine der Fensterstürze im Erdgeschoss des Saarbrücker Schlosses geschaffen. Nach den Gipsabgüssen dieser Tonmodelle sind von einem Steinmetz aus rotem Vogesensandstein maßstabsgetreu Kopien dieser Schlusssteine hergestellt worden – unter Beobachtung der Kopierung vor Ort durch den Künstler. Sie wurden anschließend weiß überstrichen. Die zwei rahmenden Kartuschen mit Porträtbüsten und der als Schild gestaltete Schlussstein sollen erinnern an das historische Wirken von drei Baumeistern und Architekten bei der Errichtung, der Modernisierung und dem Wiederaufbau des Saarbrücker Schlosses: (von links) Baumeister Friedrich Joachim Stengel; Architekt Hugo Dihm; Baumeister Adam Knipper.

Diese historische Erinnerung ästhetisch einzuholen, sie plastisch angemessen in Stein zu formen, ist aus heutiger Sicht sowohl in historischer als auch stilistischer Perspektive ein problematisches Unterfangen. Denn das Wirken der drei Honoratioren liegt 133 Jahre (1739 – 1872) auseinander, alle sind mit verschiedenen Aufgaben betraut gewesen und als Triumvirat bilden sie nur einen kleinen Ausschnitt im Chor aller Mitwirkenden. Unter diesen ganz unterschiedlichen Ausgangsbedingungen hat der Künstler einen auftragsgemäß überzeugenden ästhetischen Kompromiss gefunden, der jedem einzelnen der drei Baumeister gerecht wird und gleichzeitig in einem stilistisch gemischtem architektonischen Ambiente einen optisch ausgeglichen einheitlichen Eindruck erzielt. Er hat mit dem damaligen zeitgenössischen Zeichenrepertoire der jeweiligen Profession, aber nur unterschwellig und bedingt an eine der vielen historischen Stilistiken des Schlosses erinnernd, in sorgfältig modernisierender Form ein schmückendes Formensemble unserer Zeit geschaffen. Es würdigt und aktualisiert damit sowohl den jeweiligen plastischen Einzelstein der drei Baumeister im kollektiven Gedächtnis. Es passt aber auch das Ensemble aus zwei abbildhaft und einem symbolisch Repräsentierten in die zeitgenössisch gegenwärtige Formensprache ein.

Die stilistische Ausführung der Schlusssteine ist minimalistisch sparsam, so dass die Porträts und die Symbolik des Schildes sehr eindringlich in den Vordergrund gerückt werden. Die beiden Büsten zeigen die Baumeister Stengel und Knipper als Typenporträts, beide umrahmt von den Insignien ihres Berufs. Ihre Köpfe sind beidseitig von gestapelten Akten eingerahmt. Zwischen diesen ragt jeweils eine ihrer Hände hervor, bei Herrn Stengel hält die rechte Hand Zeichenkreide zwischen Daumen und Zeigefinger und liegt auf dem Aktenstapel. Bei Herrn Knipper ruht die linke Hand auf den Akten. Die Finger ihrer Hände weisen in beiden Abbildungen über das Schild von Herrn Dihm hinweg aufeinander – eine Symbolik, die auf die gemeinsamen und zeitübergreifenden architektonischen Aufgaben der drei Dargestellten verweist.

Der linke Schlussstein (Kartusche mit Kopf) trägt die Porträtbüste des Baumeisters Friedrich Joachim Stengel, dem Erbauer des Barockschlosses (1739-1748). Er zeigt eine Büste im Halbprofil nach links mit durch Aktenstapel verdeckten Seitenteilen. Unmittelbar über dem Kopf des Baumeisters Stengel befindet sich ein Wehrturm im Kleinformat, vielleicht eine Erinnerung an oder ein Relikt aus der Vorbebauung der frühen Neuzeit1. Daneben und darunter zu beiden Seiten des Kopfes sind versenkte Reliefs eingearbeitet, deren Bedeutung sich aus der Geschichte des Schlosses ergeben mögen.

Der rechte Schlussstein (Kartusche mit Kopf) zeigt ein Porträt des Baumeisters Johann Adam Knipper des Jüngeren, zuständig für den klassizistischen Wiederaufbau ab 1810; ebenfalls, wie bei Stengel, eine Büste im Halbprofil, aber nach rechts und ebenfalls mit durch Akten verdeckten Seitenteilen. Auch hier finden sich architektonische Symbole, die der Deutung harren. – Die Büsten der beiden Baumeister Stengel und Knipper sind durch die Blickrichtung einander zugewandt. Zwischen ihnen befindet sich die Kartusche mit Schild für den Architekten Dihm.

Auf dem Schild des mittleren Schlusssteins ist ein Dekor zu Ehren des Architekten Hugo Dihm geformt. Er zeichnet für den neuen Mittelbau des Schlosses (1872) verantwortlich. Die Schildgestaltung ersetzt das fehlende Porträt. Umrahmt von einem schmuckkragenähnlichen Kostümteil befindet sich auf dem Schild nicht die Abbildung eines Hemdes und darüber, wie anatomisch erwartbar, außerhalb des ‚Kragens’ nicht der Kopf, sondern da, wo dieser sein könnte, eine Sonnenblume in verkleinerter stilisierter Form. Im Schild finden wir die beiden bekanntesten Symbole der Freimaurer, Winkel und Zirkel. Darunter, aus dem Schild fallend, wahrscheinlich Münzen, teilweise auf die rechts und links herab fallenden und sich entrollenden Pläne. – Winkel und Zirkel sind der handwerklichen Tradition der Steinmetze entlehnt. Aber als Zeichen der Freimaurer haben sie symbolische Bedeutung. Der ‚rechte’ Winkel, das unerlässliche Werkzeug eines Architekten, steht als Symbol für die ‚rechte’ Lebensführung. Der Zirkel gilt als symbolisches Zeichen für den Kreislauf des Lebens und für Gemeinschaft. Planrollen und Münzen mögen für die besoldete Beschäftigung stehen, die Sonnenblume als oberer Abschuss gilt als Symbol des Lichts, es fällt auf die Insignien seines beruflichen Schaffens: Es leuchtet über Zirkel, Winkel, Pläne und Münzen.

  1. Zur Geschichte, architektonischen Genealogie und zur Restauration des Saarbrücker Schlosses vgl. den bebilderten Überblick bei: Regionalverband Saarbrücken: https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=4&cad=rja&uact=8&ved=0ahUKEwjkgfv19ebaAhVFLZoKHdh8BYcQFghBMAM&url=https%3A%2F%2Fwww.regionalverband-saarbruecken.de%2Ffileadmin%2FRVSBR%2FRegion%2FTourismus%2FTI-Flyer%2FDas_Saarbruecker_Schloss.pdf&usg=AOvVaw1LIPgcTu0tej6Cat92JKeA (abgerufen 02.05.2918)