Spieler

1981
je 180 cm x 100 cm
Bronze
Willi-Graf-Gymnasium, Sachsenweg 3, 66121 Saarbrücken

Die Plastik Spieler aus dem Jahre 1981 ist das zweite von insgesamt drei Kunstwerken zum Thema Sport, die der Bildhauer Oswald Hiery in einem Zeitraum von elf Jahren für Sportstätten im öffentlichen Raum geschaffen hat. Dazu zählen auch American Football (1978) für eine Sporthalle und Bobfahrer (1988) für den Eingangsbereich zu einer Schulsporthalle. Alle drei Plastiken haben eine Gemeinsamkeit, sie beziehen sich thematisch zwar auf den Sport oder eine Sportart. Sie spiegeln aber in ganz unterschiedlicher Weise, zeitgenössische Ansichten des Kulturguts Sport in unserer Gesellschaft. Bei American Football wird der spielerische Charakter des Ereignisses eher zugunsten einer Betonung des Wettkampfcharakters unter körperlichen Schutzvorkehrungen für die Spieler zurückgestellt. Bei der Plastik Bobfahrer überwiegt optisch ein technisches und atmosphärisch ein surreales Moment. Mit den gestisch-künstlerischen Mitteln der Bildenden Kunst veranschaulichen sie, jede für sich beispielhaft, diesen gesellschaftlichen Bezug zum Sport. Sie tun dies aber nicht nur beispielhaft, sondern auch mit unterschiedlichen Absichten: kritisch (American Football), engagiert (Bobfahrer), humorvoll-ironisch (Spieler).

Die Plastik Spieler wirkt auf den Betrachter wie eine imaginäre Sportart, die zudem in ungewöhnlicher Weise vorgeführt wird. Denn sie fordert die Vorstellungskraft des Betrachters in besonderer Weise heraus. Ihre spielerische Inszenierung scheint einem dramaturgischen Konzept zu folgen, das bekannt vorkommt. Dieses Déjà-vu-Erlebnis ist für die bildhauerische Komposition der Werke von Oswald Hiery und ihre Betrachter nicht ungewöhnlich, denn die Umsetzung gesellschaftlicher und human-ökologischer Kontexte setzt eine kritische Rückbesinnung auf die zeitgenössische Gegenwart als selbstverständlich voraus. Gerade „in der Beachtung der Umweltbeeinflussung des Menschen und ihrer situationsspezifischen Wiedergabe im Kunstwerk liegt wohl die Modernität von Hierys Kunstschaffen. Mit folgenden Worten bringt er diesen Sachverhalt auf den Punkt: Es ist alles an Ort und Stelle, man muss nur hinschauen1. Was hat er beim Hinschauen gesehen, welche Umweltreize haben ihn bei der Plastik Spieler zur Darstellung gereizt? Auf welche Weise fließt diese Wahrnehmung in das Werk ein? Diese Fragen suchen nach einer verbindenden Antwort.

Die ikonografischen Merkmale der Plastik legen eine Antwort nahe, darunter vor allem die Ironiesignale, die sie sendet. Die Mimik der Spieler, ihre Gestik, ihr Outfit und die fiktiven Accessoires, die bedeutungsvollen Zeichen, die sie geben, sind eine Botschaft an den Betrachter, sie wollen ihm etwas zeigen. Dieser besondere Zeigemodus lässt den Betrachter erkennen, dass das Gesagte nicht wörtlich, sondern ironisch gemeint ist. Denn die beiden Figuren wirken grotesk alienhaft, ihre gestischen Bedeutungsposen übertrieben oder gekünstelt, das Outfit, Taucherbrille, Badekappe, Dehnungsfugen an Ärmeln und Hosen, legen den Verdacht nahe, dass die Ikonografie der Plastik ironisch gemeint ist.

Die Ironie hat ihre ganz eigene Form des Zeigens. Eine ironisch gemeinte Aussage, gestisch oder verbal, ist eine, die der Einstellung dessen, der sie macht, nicht entspricht, sie ist wider das bessere eigene aber auch wider das unterstellte fremde Wissen. Sie vollzieht sich im Bewusstsein, dass beide das wissen. Aus dieser Differenz zwischen der gezeigten Verstellung und des durchscheinenden eigentlich Gemeinten, also durch die Form der Distanz zum Gezeigten, lebt die Ironie und entfaltet ihre Absicht und ihren Sinn.

Ironie ist der Schlüssel zur Interpretation des Werks Spieler.

Die beiden Figuren sind in der Bewegung still gestellt, sie bilden ein tableau vivant, sie imitieren spielend eine sportliche Rolle der imaginären Art. Ihre Aktivitäten sind als etablierte Einzelsportart nicht eindeutig zu identifizieren, vielleicht in einigen Merkmalen als Boccia oder Boule, aber dazu passt das außergewöhnliche Outfit kaum. Die gestische Ausprägung der beiden Figuren zeigt keine Sportart, sondern das Sportliche einer besonderen Art. Und sie zeigt es in zeitgenössischer Weise, denn die Ironiesignale beziehen sich nicht nur auf den Sport, sie greifen breiter.

Seit den 1970er Jahren gibt es einen neuen Sporttypus, der sich vom Wettkampfsport abgrenzt und der später Breitensport genannt wird, ein bewegungsintensives Betätigungsfeld für die Freizeit von Amateuren. Diese neue Art des Sports beginnt mit der Trimm-dich-Bewegung, die in den 1970er Jahren durch den Deutschen Sportbund gestartet wird. Seit den Olympischen Spielen 1972 in München werden verschiedene Sportaktivitäten zu diesem Breitensport: die Trimm-dich-Bewegung der 1970er, das Jogging der 1980er Jahre und die Fortsetzung durch die Fitness-Aktivitäten im Studio, jeweils mit hohen Zahlen ‚infizierter’ Mitglieder. Bis heute politisch gelobt und von Städten und Kommunen unterstützt durch Parcours und Freizeiteinrichtungen. Ein wichtiges Fernziel ist die Gesundheitsprophylaxe.

In der Plastik Spieler aus dem Jahre 1981 finden wir diese zeitgenössische Bewegung der 1970er Jahre fantasievoll karikiert. Denn dieses Werk ist eine humorvoll-witzige und  ironische Reaktion auf den Breitensport, umgangssprachlich auch Volksturnen genannt. Lustvoll und übermütig befasst sie sich mit der Darstellung dieses Volkssports am Beispiel von zwei exemplarischen Aktivisten der Bewegung. Sie ist eine Persiflage, eine humorvoll verspottende Darstellung und satirische Verzerrung der Aktivitäten seiner Mitglieder und ihrer Gestiken. Mit den Stilmitteln der Ironie und dem Fundus künstlerischer Freiheit karikiert Hiery den Volkssport auf humorvolle Weise: Überladene Gesten und ein übertriebenes Outfit werden wie selbstverständlich vorgestellt. Beides sind Zeichen der Karikatur, vielleicht auch eine nachahmende Verspottung eines unterstellten Verhaltens, von dem das Volksturnen gesteuert wird.

Auf dem großen Pausenhof und im weitläufigen Ambiente der Schule wirkt die ungewöhnliche Gestik der beiden Figuren selbstverständlich, als sei die Ironie eine legitime Form der Betrachtung dieser Plastik, aber doch auch ungewöhnlich. Vielleicht aber werden Lernende und Lehrende die Karikatur gar nicht mehr wahrnehmen, weil diese als Ausdrucksform kaum eine Alternative hat und zum alltäglichen Standardrepertoire gehört. – Es wäre spannend zu erfahren, ob es im schulischen Bereich Versuche gibt, die Plastik thematisch im Rollenspiel oder als tableau vivant nachzustellen. Es wäre aber auch aufschlussreich zu sehen, zu welchem möglichen Ergebnis eine Projektgruppe ‚Spieler’ im schulischen Kunstunterricht käme, vielleicht im Vergleich zu den beiden anderen Plastiken zum Thema ‚Sport’ des Bildhauers Oswald Hiery, Bobfahrer und American Football2.

  1. Alois Prediger, Der Bildhauer Oswald Hiery – Kunstpreisträger 1987, in: Unsere Heimat. Mitteilungsblatt des Landkreises Saarlouis für Kultur und Landschaft, hg. von der  Vereinigung für die Heimatkunde im Landkreis Saarlouis e. V., Saarlouis 1987, Heft 12 (1987), 121
  2. Auf der Webseite der Schule findet sich kein Hinweis auf die Plastik Spieler oder den Künstler, der sie geschaffen hat.