Trennwand

1977
12 m x 7 m
Holz, Metall, Plastik
Willi-Graf-Gymnasium, Sachsenweg 3, 66121 Saarbrücken

Die Trennwand gehört zu den vier Werken von Oswald Hiery im öffentlichen Raum, die man der Kategorie ‚Kunst am Bau’ zuordnen kann. Dazu gehören noch Brammenhort (1969), Handläufe (1969) mit auch technischer und Wandrelief (1968) mit ästhetisch-dekorativer Funktion. Für alle Werke gilt, dass sie neben der künstlerischen auch in auffallend hoher handwerklicher Qualität hergestellt sind, obwohl sie aus ganz unterschiedlichen Materialien bestehen (Stahl, Aluminium, Eichenholz, Holz, verschiedene Metalle, Kunststoff).

Die Trennwand besteht aus einer beeindruckenden Fülle von teilweise sehr großen und voluminösen hölzernen Vierkantstäben, die über zwei Etagen jeweils innen und außen verteilt sind. Das gesamte vollplastische Relief über zwei Etagen im Eingangsbereich des weitläufigen Schulgebäudes besteht aus vorgefertigten Stücken aus verleimten Holzstäben. Alle Einzelstücke haben die gleiche Grundform. Sie bestehen zwar aus sehr unterschiedlich hohen und immer quadratischen Kanthölzern mit gleichen quadratischen Querschnitten, aber alle laufen formgleich unten und oben in konkaven Krümmungen aus. Aus allen Frontalperspektiven ist die konkave Krümmung dem Betrachter zugewandt, immer ‚greift’ sie auf ihn zu, von oben und von unten. Zwischen den inneren und den äußeren Stäben befindet sich, durch beide Etagen hindurch, ein durch ein ganzflächiges Gitter gegliedertes Doppelfenster aus Kunststoff. Auf halber Höhe der beiden Etagen wölbt sich mittig eine voluminöse Ausbuchtung des gefensterten Gitters in Richtung der Eingangshalle zwischen die seitlich zurückweichenden Stäbe, die man als riesige Augenwölbung oder Augenlinse deuten könnte, im Sprachgebrauch der Schule: Träne Gottes.

Für das Schulgebäude und die Räume, die sie trennt, hat die Trennwand eine Doppelfunktion. Sie wirkt als funktionales architektonisches Element, denn sie trennt Gebäudeteile mit unterschiedlichen Funktionsräumen voneinander. Sie trennt das Parterre mit der Eingangshalle und ihrem unsortierten Publikums- und Durchgangs- oder Pausenverkehr vom Saal der Schulbibliothek; entsprechend in der ersten Etage einen Flur und einen Klassenraum. Aber die Trennwand hat auch eine ästhetisch-appellative Funktion, die sie auf eine ganz besondere Art und Weise ausdrückt. Sie wirkt mit gestalterischen Mitteln, die jedem Lesekundigen geläufig sind – und unter Ansprache einer Form des visuellen Gedächtnisses von jedem, der zu lesen gelernt hat.

Das vollplastische Holzrelief steht schon deshalb in räumlich exponierter Position, weil es mit Eingangshalle und Schulbibliothek Lauf- und Lesepublikum räumlich trennt. Aber es hat darüber hinaus eine symbolische Funktion. Es trennt Alltag und Studium. Zwischen diesen Funktionen wechseln die Schüler und Besucher beim Passieren der Trennwand zwischen Eingangshalle und Bibliothek.

Aber auch der Betrachter des Reliefs nimmt diesen Wechsel nicht nur optisch, sondern auch mental, vor allem aber atmosphärisch wahr. Denn man kann diese verglaste Wand mit ihren ornamentalen Holzstäben als Platzhalter für eine Schrift sehen und die einzelnen Buchstabenstäbe als Symbole für große und kleine Lettern einer anonymisierten Alphabetschrift. Durch ihre räumliche Positionierung wirken sie wie typografisch gesetzte Lettern eines allgemeinen Alphabets, die der Betrachter als kalligrafisch gestalteten Text wahrnimmt. Der geübte Leser setzt nicht die einzelnen Buchstaben jedes Wortes zusammen, sondern er erfasst das Wort ganzheitlich visuell. So wirkt auch die Gesamtschau der einzelnen hölzernen Elemente der Trennwand wie ein visueller Text, als Hinweis auf die Trennung der unterschiedlichen Bereiche und deren Bedeutung für den schulischen Alltag1.

  1. Auf dem Schulhof des Willi-Graf-Gymnasiums befindet sich eine weitere Großplastik des Bildhauers Oswald Hiery von ganz bemerkenswerter Qualität, Spieler aus dem Jahre 1981. Auf der Webseite der Schule sucht man leider vergeblich nach einem Hinweis auf die beiden Kunstwerke oder auf den Künstler.